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Endstation Sehnsucht

Das Fußball-Märchen des First Vienna FC findet seinen vorläufigen Höhepunkt im Aufstieg in die 2. Liga. Damit kehrt der frischgebackene Meister der Regionalliga Ost fünf Jahre nach seinem Insolvenzantrag in den Profifußball zurück. Aber Österreichs ältester Fußballverein strebt nach Höherem – dafür muss er jedoch erst einige Herausforderungen meistern.

„Vom ersten Moment an, als wir 2017 das Insolvenzverfahren anmelden mussten, haben wir auf dieses Ziel hingearbeitet“, unterstreicht Sportdirektor Markus Katzer im Gespräch mit dem SPIELER die Bedeutung des Aufstiegs in die 2. Liga. Der 352-fache Bundesliga-Profi ist seit 2018 Sportdirektor und einer der Baumeister des Erfolgs.

Der ehemalige Rapid-Verteidiger stieß 2015 als Spieler zu den Blau-Gelben aus Wien-Döbling, ließ dort seine Karriere ausklingen und wechselte dann ins Management. Er erlebte hautnah mit, als der Verein vor fünf Jahren ins Tal der Tränen und in die fünftklassige 2. Landesliga stürzte. Nun feiert der heute 42-Jährige die Rückkehr von Österreichs ältestem Fußballverein in den Profifußball. „Von mir ist natürlich sehr viel Last abgefallen, jetzt sind nur mehr Freude und Erleichterung da.“

Von der 2. Landesliga in den Profifußball
Der Aufstieg in die 2. Liga markiert den vorläufigen Höhepunkt einer beispiellosen Erfolgsgeschichte: Im zweiten Jahr in der 2. Landesliga krönte sich der 1894 gegründete Verein in der Saison 2018/19 zum Meister. In der Spielzeit 2019/20 verhinderte der coronabedingte Saisonabbruch den nächsten Titel in der Wiener Stadtliga, die Vienna war zum damaligen Zeitpunkt Tabellenführer. Die Meisterfeier wurde ein Jahr später nachgeholt und die Vienna damit zurück in der Regionalliga Ost. Dort kürten sich die Döblinger in der abgelaufenen Spielzeit abermals zum Champion – und machten damit den Durchmarsch in die 2. Liga perfekt.

Zurück im Profifußball warten für die ambitionierte Vienna bereits die nächsten Herausforderungen. „Umso professioneller man werden will, umso mehr Stellen müssen natürlich besetzt sein“, betont Katzer. Eine Scoutingabteilung für den Kampfmannschaftsbereich existiere derzeit nicht, auch hat der Verein keinen Teammanager: „Irgendwann wirst du aber einen brauchen. Die Frage ist: Brauchen wir den jetzt?“, teilt der Sportdirektor seine Überlegungen. Einerseits dürfe man nicht verschlafen, wichtige Positionen zeitgerecht zu besetzen, andererseits bestehe die Gefahr, den Personalapparat zu schnell aufzublasen. Katzer will daher zunächst versuchen, offene Positionen mit bereits vorhandenem Personal abzudecken – auch mit Blick auf das Budget.

Selber Spieler, doppelter Preis
Denn mit der Rückkehr in den Profifußball werden auch die Kosten bei der Vienna deutlich steigen. „Einige Spieler haben derzeit noch einen Job, beziehen also zwei Gehälter und sind ein gewisses Einkommen gewohnt“, erklärt Katzer. Gehen sie mit in den Profifußball, müsste die Vienna das Gehalt deutlich aufbessern. „Das bedeutet, dass du demselben Spieler fast das Doppelte zahlen müsstest. Das sind Themen, mit denen wir zu kämpfen haben.“ Wer also glaube, dass die Kosten in der 2. Liga nicht erheblich steigen würden, der irre sich gewaltig, betont der Sportdirektor.

Der Kurs für die kommende Saison sei daher klar vorgegeben: „Wir planen ein Konsolidierungsjahr, werden also nicht versuchen, gleich wieder aufzusteigen.“ Zudem soll die Zeit genutzt werden, um mit dem Nachwuchs nachzurücken. „Wir wollen dort mehr Qualität reinbekommen: bei den Spielern, im Trainerbereich und drumherum“, erzählt Katzer. Helfen sollen dabei etablierte Ex-Profis wie Jiri Lenko oder Andreas Ivanschitz, die im Nachwuchsbereich des Vereins tätig sind.

Dazu haben die Döblinger unlängst 1,5 Millionen Euro in ihr Trainingszentrum investiert, ein neuer Natur- und ein neuer Kunstrasenplatz stehen dort nun inklusive Flutlicht Kampfmannschaft wie Nachwuchs zur Verfügung. „Wir haben dort jetzt insgesamt drei Plätze. Ich glaube, da sind wir schon Bundesligareif“, betont Katzer. Die Hohe Warte, Heimstätte der Vienna, sei Zweitliga-tauglich.

Cheftrainer mit 26 Jahren
An der Seitenlinie von Österreichs ältestem Fußballverein steht mit Alexander Zellhofer ein blutjunger Trainer. Im zarten Alter von 26 Jahren trat er im Sommer 2020 die Stelle des Cheftrainers bei der Vienna-Kampfmannschaft an. Mittlerweile ist Zellhofer 28 Jahre alt und seit nunmehr fast vier Jahren im Verein. Angefangen hatte der Sohn von Ex-Rapid- und Austria-Coach Georg Zellhofer bei der Vienna als U18-Trainer, übernahm später die zweite Mannschaft und wurde Nachwuchsleiter, ehe ihn Markus Katzer zum Cheftrainer der Kampfmannschaft machte. „Er hat mich nach der Corona-Abbruchsaison gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte“, erinnert sich Zellhofer im Gespräch mit dem SPIELER.

Die eigene aktive Karriere musste Zellhofer bereits mit 18 Jahren nach zwei schweren Sprunggelenksverletzungen und wegen eines kaputten Knies beenden. Dass der Trainer nun jünger ist als einige Spieler im Kader, sei nie Thema gewesen: „Wir haben bei der Mannschaftszusammenstellung schon darauf geschaut, dass wir die richtigen Charaktere mit dabei haben. Jetzt haben wir ein sehr intaktes Mannschaftsklima. Das hat es für mich relativ einfach gemacht. Ich versuche, sehr viel mit den Spielern zu sprechen, sie immer wieder einzubinden.“

Der Spirit der Meistermannschaft
Bundesliga-Erfahrung ist im Meisterkader der Vienna zudem ebenfalls reichlich vorhanden. Ex-Teamspieler Deni Alar (32), Ex-Rapidler Lukas Grozurek (30) oder Ex-Admira-Verteidiger Stephan Auer (31) sind nur ein paar bekannte Namen, die für die Vienna in der Regionalliga aufliefen. Wer den Schritt in die 2. Liga mitgeht, will Katzer noch nicht verraten. Allerdings werde die Transferstrategie im Sommer eine andere sein: „Ich kann ausschließen, dass wir Spieler verpflichten werden, die über 30 Jahre alt sind.“ Der Sportdirektor nimmt junge Spieler ins Visier: „Ich denke da an ein Alter bis 25 Jahre. Wir wollen junge Spieler in der 2. Liga platzieren, damit diese dann bereits 30, 60 oder 70 Zweitliga-Spiele bei der Vienna in den Füßen haben, wenn wir den Bundesliga-Aufstieg in Angriff nehmen.“

Ein Totalumbruch im Sommer sei jedoch nicht geplant. „Der aktuelle Kader ist eine Meistermannschaft. Jede Mannschaft, die aufsteigt, hat einen gewissen Spirit. Den zerstörst du, wenn du neun Spieler abgibst und neun Neue holst“, warnt Katzer.

Ratschläge von Papa Georg Zellhofer
Wie man im Fußball Erfolge feiert, weiß auch Ex-Bundesliga-Trainer Georg Zellhofer. Nun steht er seinem Sohn mit Rat und Tat zur Seite. „Das ist natürlich ein Riesenvorteil, wenn man auf so ein großes Know-how zurückgreifen kann“, ist sich der Vienna-Coach bewusst. „Ich tausche mich regelmäßig mit ihm aus, wir telefonieren fast täglich.“ Dennoch will der 28-Jährige seinen eigenen Weg gehen: „Ich versuche, so gut es geht, ich selbst zu sein.“

Was will Zellhofer von seiner Mannschaft auf dem Platz sehen? „Wir forcieren eine sehr aktive Spielweise und versuchen, gegen den Ball aggressiv zu sein. Natürlich ist eine gewisse Balance in unserem Spiel wichtig.“ Häufig traf die Vienna auf tiefstehende Gegner: „Da haben wir Lösungen mit Ball gebraucht“, erzählt der 28-Jährige, der gerade dabei ist, seine UEFA-A-Lizenz zu machen.

Katzer und die „Riesenchance“
Für Sportdirektor Katzer markiert der Aufstieg in die 2. Liga den vorläufigen Höhepunkt seines Wirkens. „Wer kann schon sagen, dass er den ältesten Fußballverein Österreichs zurück in den Profifußball geführt hat?“ Der heute 42-Jährige sieht sich in seinen bisher getroffenen Entscheidungen bestätigt: „Es war gut, dass ich noch als aktiver Spieler in den Amateurbereich gewechselt bin. Weil ich dort andere Sachen als im Profibereich erlebt habe.“ Auch seine langjährige Profi-Erfahrung helfe dem Wiener heute noch: „Weil ich da Erfahrungen gemacht habe, die man sich nicht anlernen kann.“ Nur Profi gewesen zu sein, reiche jedoch auch nicht, mahnt Katzer, der auch als Spielerberater tätig war. Dort habe er in Sachen Verhandlungsgeschick und strategisches Denken vieles gelernt und sich ein Netzwerk aufgebaut. Den Sportdirektor-Posten bei der Vienna habe er als „Riesenchance“ begriffen. „Ich habe dort die Möglichkeit gehabt, am Anfang in der 5. Liga Fehler zu machen, die ich jetzt in der 2. Liga nicht mehr machen werde.“

Vienna will in die Bundesliga
Nahezu fehlerlos marschierte die Vienna durch die vergangene Regionalliga-Saison. Das Erfolgsgeheimnis lag für Trainer Zellhofer dabei auf der Hand: „Ich glaube, dass wir ein gutes Mannschaftsgerüst haben und der Kader einen sensationell guten Charakter hat. Jeder, auch die Spieler auf der Bank und die, die nicht im Kader sind, fiebern bei unseren Spielen voll mit. Das sieht man auch daran, wie unsere Tore bejubelt werden.“

Mit dem Aufstieg in die 2. Liga sei ein „Meilenstein“ erreicht worden, so Zellhofer. Derzeit sei für den Vienna-Coach die Bundesliga noch „sehr weit weg. Ich weiß aber, dass es im Fußball sehr schnell gehen kann.“ Aufgrund ihrer Vergangenheit sei die Vienna aber gut beraten, demütig zu bleiben. „Aktuell sehe ich den Verein aber sehr, sehr gut aufgestellt, er arbeitet und wirtschaftet richtig gut – und das sollte auch in Zukunft so sein“, unterstreicht der Coach, der auch seine eigene Zukunft bei der Vienna sieht.

Die 2. Liga soll für die Vienna noch nicht das Ende der Reise gewesen sein, betont Katzer. „Wir wollen uns im Profifußball etablieren.“ Gekrönt werden soll der lange Weg zurück mit der Rückkehr in die Bundesliga. „Ich will das nicht zeitlich eingrenzen und sagen, wir sind in zwei oder drei Jahren in der Bundesliga. Aber wir werden denselben langen Atem haben, wie als wir in der 2. Landesliga gestartet sind. Ich bin davon überzeugt, dass wir früher oder später in der Bundesliga sein werden.“ Für Österreichs ältesten Fußballverein würde sich damit der Kreis schließen.

 

Text: Johannes Posani