Karriere

Allein unter Männern

Imke Wübbenhorst war die erste Trainerin einer Männermannschaft in der deutschen Oberliga. Aktuell arbeitet sie für Drittligist Viktoria Köln. Das Porträt einer Pionierin, die sich immer wieder aufs Neue beweisen muss.

Im Herbst 2018 steht der BV Cloppenburg plötzlich ohne Trainer da. Obendrein hat der Verein aus Niedersachsen mit finanziellen Problemen und einer sportlichen Talfahrt zu kämpfen. Nun braucht es eine möglichst günstige Lösung für die Bank. Also spricht sich Schröder auf einer Vereinssitzung für das Offensichtliche aus: eine interne Nachbesetzung. Er spricht von einem Trainer, meint eigentlich aber eine Trainerin. Bald weiß halb Deutschland, dass die abstiegsbedrohten Cloppenburger Männer von einer Frau gerettet werden sollen. Imke Wübbenhorst ist ihr Name. Seit 2016 ist sie Teil des Trainerinnenteams der Frauensektion des Vereins in der zweiten Bundesliga, zunächst als spielende Co-Trainerin, dann als Cheftrainerin. Wübbenhorst ist durchaus erfolgreich, aber interessiert hat sich niemand für sie. Nun ist alles anders.

Stereotype aufbrechen
Interviewanfragen häufen sich und sexistische Fragen sowieso. Eine der häufigsten dreht sich um die Kabine sowie den Moment des Umziehens. Irgendwann wird Wübbenhorst von einem Journalisten gefragt, ob sie eine Sirene auf dem Kopf trage, damit sich ihre Spieler schnell eine Hose anziehen könnten, wenn sie in die Kabine komme. „Ich bin Profi, ich stelle nach Schwanzlänge auf“ antwortet sie. Dass sie ihren Co-Trainer in die Kabine vorschickte, um keine unangenehmen Momente zu provozieren, weiß heute kaum jemand. Das Zitat kennen noch immer viele Menschen.

„Ganz egal, was es ist: Frauen, die arbeiten, Frauen, die Auto fahren – am Anfang galt auch das alles als unnormal“, sagt Wübbenhorst. Dass ein Co-Trainer des BV Cloppenburg sein Amt aufgrund von Wübbenhorsts Amtsantritt zurücklegte, sagt viel. Aber ihn zu verurteilen, wäre zu einfach. Sein Rücktritt ist das Symptom einer vielerorts sexistischen Branche. Die Geschichte von Imke Wübbenhorst ist auch eine von Pionierinnnenarbeit, allerdings keine von geplantem Aktivismus. Wübbenhorst hatte einfach einen Traum: Trainerin sein im Männerbereich.

Möbel für Pro-Lizenz
Der Weg dorthin war lange und hart. Im nicht gerade für Fußball berühmten Ostfriesland beginnt sie aufgrund familiärer Vorbelastung, wie sie sagt, zu kicken. Sie ist talentiert, wird ins Nachwuchsnationalteam einberufen und läuft bald in der Bundesliga für den Hamburger SV auf. Im Mai 2019 startet Wübbenhorst in den Pro-Lizenz-Kurs des DFB. Ihrem Job am Gymnasium kann sie nicht mehr nachgehen. Wübbenhorst kann sich den Lehrgang eigentlich nicht leisten. „Ich habe Möbel verkauft, meine Wohnung aufgegeben und bei Freundinnen und Freunden oder im Auto übernachtet“, sagt sie. In der abgelaufenen Saison war sie Teil des Staffs beim 3. Liga-Klub Viktoria Köln. „Ich habe noch immer das Gefühl, dass ich mich mehr beweisen muss“, sagt sie. Perspektivisch möchte sie wieder als Cheftrainerin arbeiten, doch ihre Erfahrungen im Männerfußball haben auch Spuren hinterlassen: „Ich habe auf meinem Weg erkannt, dass mir ein gutes persönliches Umfeld wichtiger ist, als meinem Traum hinterherzueifern“, sagt sie. „Ich werde nicht mehr alles dem Beruf unterordnen.“

 

Text: Peter K. Wagner