Vereinigung der Fußballer

Bereit sein für den Notfall

Was tun, wenn auf dem Spielfeld der Notfall eintritt? Die Ärzte der österreichischen Bundesliga-Klubs proben den Ernstfall, auch die Spieler sollen in Erster Hilfe geschult werden. So der Wunsch der Bundesliga und der VdF.

Österreich spielte vor kurzem zwei Mal gegen Dänemark mit Christian Eriksen. Bei diesem Namen fallen einem Fußballfan sofort die schrecklichen Bilder bei der EURO 2021 ein. In diesem Fall ist alles noch gut ausgegangen, Eriksen wurde erfolgreich reanimiert.

Ein Spieler kollabiert ohne Kontakt mit dem Ball oder einem Gegenspieler. Das ist der Moment, in dem die medizinische Abteilung am Spielfeldrand das Geschehen als plötzlichen Herzstillstand verdächtigen muss. Der Teamarzt darf laut FIFA-Regeln auch ohne Aufforderung des Schiedsrichters sofort das Feld betreten, um mit der Ersten Hilfe beginnen zu können.

Michael Enenkel, medizinischer Leiter des ÖFB, hielt schon im Vorjahr im Auftrag der UEFA ein Symposium im Orthopädischen Spital Speising ab, das in Theorie und zweistündiger Praxis dieses Thema am Beispiel des „Falles Eriksen“ behandelte. Auch heuer trifft man sich im Juli in Speising, um das Wissen aufzufrischen. „Die Versorgung der Spieler soll optimiert werden“, so Enenkel, der eine Schulung der Spieler für begrüßenswert hält. „Die Spieler sollen dabei einen Überblick bekommen, was im Akutfall zu tun ist.“ Eine Grundausbildung praktisch.

Oliver Prudlo, innerhalb der VdF für soziale Projekte zuständig: „Der Fall Eriksen fand in einem Stadion während der EURO statt, wo die medizinische Versorgung sehr gut war. Was aber, wenn das auf einem Trainingsplatz geschieht?“ Dann müssten die Mitspieler Hand anlegen, bis professionelle Hilfe eintrifft. Und dann sollte auch jeder Handgriff stimmen.

Im Zweifel reanimieren
Im Fall Eriksen, der dänische Kapitän war im Spiel gegen Finnland ohne Fremdeinwirken kollabiert, war den Mitspielern und dem Schiedsrichter sofort klar, dass es sich um einen Notfall handelte. Der dänische Teamarzt ortete zunächst beim Kapitän eine Atmung, vermutete wohl einen Krampf.

Nach zwei Minuten begann man mit der Herzdruckmassage, danach aktivierten die Ersthelfer den Defibrillator, der Eriksen wieder zurück ins Leben holte. Erkennt man keine normale Atmung, soll so- fort mit der Herzdruckmassage begonnen werden. „Hat man Zweifel, muss man die Reanimation starten“, so Enenkel, der auch mit einem Mythos aufräumen möchte. Hier gilt: Besser man agiert, als man tut gar nichts. Wichtig sei, so lange wie möglich zu reanimieren.

Die Zeit drängt
Für das Erkennen der Atmung bleiben zehn Sekunden, ehe man den nächsten Schritt einleiten muss. Denn mit jeder Minute ohne Maßnahme sinken die Überlebenschancen um zehn bis zwölf Prozent. Die Person, die reanimiert, sollte dies auch lautstark kommunizieren, damit die umstehenden Personen sofort wissen, was es geschlagen hat.

ÖFB-Arzt Enenkel möchte bei dieser Gelegenheit auch mit der Mär von der verschluckten Zunge aufräumen. „Die kann man nicht verschlucken. Mit dem Überstrecken des Kopfes öffnet man die Atemwege. “Den idealen Rhythmus der Herzdruckmassage findet man im „Radeztkymarsch“ oder Liedern wie „Staying alive“ oder „Highway to hell“.

Das Thema war zuletzt auch beim FIFA Football Congress auf der Tagesordnung. Dabei wurde an den Tod von Marc-Vivien Foe vor knapp 18 Jahren erinnert. Die Teilnehmer sahen ein Video, auf dem ein neuseeländischer Futsal-Spieler erfolgreich reanimiert wurde.

Wo ist der Defi?
Für Enenkel ist die Infrastruktur im Stadion auch ein wesentlicher Faktor. Die wichtigste Frage dabei: Wo ist der Defi? Er sollte jedenfalls nicht im Zeugwart-Kammerl hinter einem Regal versteckt sein. Beispielsweise. Zudem haben die Klubärzte einen tragbaren Defi stets bei sich.

Enenkel geht es auch um die Koordination bei einem Notfall zwischen den Ärzten und den Sanitäts-Teams vor Ort. „Jeder muss wissen, wann wer auf das Feld kann.“

Prudlo fordert bei der Schulung für Spieler eine Fußball-spezi- fische Ausbildung in Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Kopfverletzungen. Letztere dürfen nicht weiter unterschätzt werden. „Spieler und auch Trainer müssen geschult werden, damit niemand mehr bei einer Kopfverletzung den harten Burschen spielt und auf dem Platz bleiben möchte. Die Langzeitfolgen sind ein zu hohes Risiko.“

Prudlo äußert explizit den Wunsch, einen Doppelpass mit der Bundesliga zu spielen. „Die Zeit muss es wert sein, dass man das Thema den Spielern und Trainer einfach bewusst macht.“

 

Text: Gernot Baumgartner