Karriere

Marcus aus Manchester

Bei hochbezahlten Fußballern vergisst man manchmal auf ihre Herkunft. Bei Marcus Rashford von Manchester United sollte man daran erinnern. Denn auch er hat nicht vergessen, wie er aufgewachsen ist. Und setzt sich für sozial Benachteiligte ein.

Anfang dieses Jahres schrieb ein gehörloses Kind namens Sheryar einen Brief. Der Empfänger: Marcus Rashford, Torgarant im Sturm von Manchester United und im englischen Nationalteam. Er habe einen Poesiewettbewerb in seiner Schule, erzählte Sheryar, und Rashford könne dort doch als Juror fungieren. Und tatsächlich – er tat es wirklich. Um sich mit Sheryar und seinen gehörlosen Klassenkameraden über ihre Gedichte auszutauschen, lernte Rashford extra Gebärdensprache.

Diese Geschichte ist nur ein Beispiel für das soziale Engagement des 22-Jährigen, der nicht auf seine Herkunft vergessen hat. Rashford, dessen Wurzeln auf den Karibikinseln St. Kitts und Nevis liegen, wuchs in einem Stadtteil weit außerhalb des Zentrums von Manchester auf. Seine Mutter zog ihn und seine vier Geschwister alleine auf. Und daran erinnerte er sich auch, als er im Juni einen offenen Brief an die Abgeordneten des englischen Parlaments verfasste. Diesen Sommer wäre das staatliche Programm zur Förderung kostenloser Mittagessen für bedürftige Kinder, die sonst in den geschlossenen Schulen Mittagessen bekämen, ausgelaufen. „An alle Abgeordneten. In dieser Woche, in der die EM 2020 hätte beginnen sollen, möchte ich auf den 27. Mai 2016 zurückschauen, als ich in der Mitte des Stadium of Light in Sunderland stand und gerade eben den Altersrekord als jüngster Torschütze bei seinem Länderspieldebüt für England unterboten hatte”, begann er sein Plädoyer, in dem er seine persönliche Geschichte und seine Beweggründe schilderte, warum er sich schon seit einiger Zeit für sozial Benachteiligte einsetzt.

„Unser System ist nicht dafür gemacht, dass Familien wie meine Erfolg haben”, schreibt er auch. Und lässt einen besonderen Satz folgen: „Ich weiß, wie es ist, hungrig zu sein.” Unter dem Hashtag #maketheUturn verbreitet sich sein Brief rasant, Gary Lineker unterstützt ihn ebenso wie Londons Bürgermeister Sadiq Khan und viele mehr. Bald wird bekannt, dass Rashford den U-Turn, die Wende, geschafft hat. Die Regierung gibt die Verlängerung des Programms, das kostenlose Mittagessen für 1,3 Millionen Schüler garantiert, bekannt. Rund 15 Prozent der Kinder in Großbritannien werden es in Anspruch nehmen.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Seht, was wir gemeinsam erreichen können. Das ist England 2020”, schreibt Rashford auf Twitter, als er von der Verlängerung des Programms erfährt. „Ich möchte nicht, dass das schon alles war. Wir brauchen weitere Schritte und müssen diese Antwort der Regierung erst in Ruhe analysieren”, sagt er wenig später im Interview mit der BBC. Marcus Rashford, Torgarant im Sturm von Manchester United und England, verdient Millionen. Aber er ist immer der aus einfachen Verhältnissen stammende Marcus aus Manchester geblieben.

Text: Peter Wagner