Karriere

WIR STEHEN FÜR ETWAS

Christoph Freund ist einer der Masterminds hinter dem Erfolgsmodell Red Bull Salzburg. Im ausführlichen Interview mit dem SPIELER spricht er über die Vereinsphilosophie, Vergleiche mit Ajax Amsterdam und warum auch Niederlagen Spaß machen können.

Das Modell Red Bull Salzburg gilt einigen Vereinen als Vorbild, so – wohl von der Philosophie, als auch von der Art und Weise des Fußballs. Macht Sie das stolz?

Es macht einfach riesengroßen Spaß, wenn man etwas über so lange Zeit mit einem Team durchzieht und dann sieht, welche Früchte es trägt. Dass viele von den Themen, die wir angegangen sind, umgesetzt werden können. Ja, es erfüllt einen schon ein wenig mit Stolz. Auf der einen Seite, welche Spieler wir entwickelt haben …

Und auch, welche Erfolge man gefeiert hat.

Das ist das Wichtigste. National haben wir elf von zwölf Titeln gefeiert, das ist außer – gewöhnlich und bei weitem keine Selbstverständlichkeit, wenn man sieht, welche Spieler wir immer wieder abgegeben haben. Aber auch international konnten wir in den letzten Jahren richtige Ausrufezeichen setzen von der Youth League über die Europa League bis jetzt in die Champions League. Das ist dem geschuldet, dass wir seit 2012 durchziehen, was wir uns vorgenommen haben.

Hatten Sie während der Jahre irgendwann auch Zweifel an dem eingeschlagenen Weg?

Es gab schon anfangs ein paar Situationen, die durchaus schwierig waren. Allerdings haben wir im Verein viele Überzeugungstäter vorgefunden, die von dem Weg überzeugt waren. Von außen wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, wie es bei uns weitergeht nach all den Abgängen. Aber wir haben uns von dem Weg nicht abbringen lassen, das war wichtig. Dass dann alles so gut aufgeht, muss vieles zusammenpassen, auch das Quäntchen Glück in den richtigen Momenten natürlich.

Wenn wir das Modell betrachten – welche Faktoren bringen das Werk zum Laufen?

In erster Linie ist wichtig zu wissen, was wir wollen, welchen Fußball wir spielen wollen. Welche Mitarbeiter wir dafür brauchen und welche Spieler wir dazu holen müssen. Das ist die Basis für den Weg.

Einerseits propagieren Sie Kontinuität, auf der anderen Seite wird der Fußball immer schnelllebiger. Trainer und Spieler kommen und gehen. Wie passt das zusammen?

Wichtig ist, dass in dem schnelllebigen Geschäft der Verein kontinuierlich für etwas steht, unabhängig von den Personen. Wir hatten national und international Erfolge mit verschiedenen Trainern aus Österreich, Deutschland oder auch Spanien, jetzt aus den USA. Ob der Trainer zu uns passt, hängt nicht vom Namen ab, sondern vielmehr vom Typ. Wir stehen für eine bestimmte Art von Fußball mit jungen Spielern, denen wir den nächsten Schritt ermöglichen wollen. Rundherum dreht sich schon sehr viel, aber das Prinzip und die Ausrichtung des Vereins bleiben gleich.

Wann sind Sie zufrieden? Wenn die Leistung passt, die Ergebnisse stimmen oder Spieler um Rekordsummen verkauft werden?

Das ist eine Mischung aus allem. Uns ist wichtig, dass ein Zuschauer nach 15 Minuten erkennt, welches Team auf dem Platz unsere Mannschaft ist. Aber natürlich geht es ja auch um Ergebnisse, allerdings nicht nur. Man kann auch ein Spiel verlieren, und dennoch kann es ein Spaß sein, der Mannschaft zuzusehen. Das 3:4 beim Champions League-Titelverteidiger Liverpool war etwa so ein Match. Auf lange Sicht kommen mit der guten Arbeit auch die Ergebnisse. Dass wir hohe Transfergewinne erzielen konnten, kommt hinzu, ist auch eine Folge unserer Ausrichtung.

Hand aufs Herz, hätten Sie jemals gedacht, mit den Spielerverkäufen dermaßen viel Geld einnehmen zu können?

Das hätte ich vor sechs, sieben Jahren auch nicht gedacht. Aber wir waren dann in einer Art Spirale nach oben, in der wir viele richtige Entscheidungen getroffen haben und in den Entscheidungen immer mutig geblieben sind. Aber vorherzusehen war das nicht, das kann man auch nicht 1:1 planen. Es hat eben viel zusammengepasst.

Haben Sie das Gefühl, dass die Art, wie Salzburg Fußball spielt, sich irgendwann überholen könnte? Im Fußball existieren ja gewisse Zyklen.

Verschiedene Mannschaften haben verschiedene Zeiten geprägt, wie Spanien oder auch Deutschland, davor die Niederländer. Der Fußball, den wir spielen, der passt zu uns. Junge Spieler zu entwickeln mit Mut und Leidenschaft auftreten. Aber wir haben‘s ja auch nicht erfunden. Andere Teams sind mit anderen Stilen erfolgreich. Man muss immer schauen, wohin sich der Fußball entwickelt. Wir wollen ja gar nicht alles abdecken, sondern zu unseres Stil – von dem wir absolut überzeugt sind – stehen.

Vergleiche sind stets relativ. Aber wo erkennen Sie Salzburg? In Ajax Amsterdam, im AC Milan unter Arrigo Sacchi, im Barcelona mit dem Tiki-Taka?

Am ehesten kann man uns mit Ajax Amsterdam vergleichen. Nicht von der Spielweise, die bei Ajax schon sehr individuell geprägt war, während bei uns mehr die Mannschaft im Vordergrund steht. Aber sehr wohl von der Philosophie mit dem Einbau junger Spieler in die erste Mannschaft, wie es auch bei Ajax immer wieder geschieht.

Wenn Sie Ihre Position im Modell Salzburg betrachten, wo würden Sie sich dann auf dem Platz aufstellen? Sind Sie der Sechser, oder doch der Spielmacher?

Ich sehe das Ganze als Team, ich bin ein Bestandteil des Teams. Ich sehe uns Mitarbeiter als Dienstleister für unsere Spieler, um für sie bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie ihre maximale Leistung am Platz abrufen können.

Weil Sie den Überblick haben müssen, wird es wohl eine zentrale Position im Mittelfeld sein …

Ja, einen guten Überblick sollte man haben, damit die Fäden da zusammenlaufen können.

Worauf sind Sie am meisten stolz, wenn Sie die letzten Jahre betrachten?

Ich weiß nicht, ob stolz das richtige Wort ist. Ich bin aber dankbar, dass ich in all diesen Jahren etwas mitgestalten darf, eine besondere Zeit mitprägen kann.

Im Fußball darf man nicht zu weit nach vorne blicken, aber vielleicht könnten Sie dennoch für die kommenden Jahre die Ziele formulieren. Einerseits ist man endlich in der Champions League angekommen, andererseits ist man ein Ausbildungsverein auf hohem Niveau. In welche Richtung wird es gehen?

Die Erwartungshaltung ist natürlich durch die Erfolge gestiegen, das ist uns klar. Das große Ziel bleibt der Weg, den wir schon gehen. Denn der hat uns überhaupt dorthin geführt, wo wir jetzt sind. Wir werden achten, dass wir diesen Weg nicht verlassen, trotz mancher Verlockungen durch die Einnahmen im Europacup. Der Verein hat eine besondere Geschichte, das macht uns aus.

Wohin wird sich Ihrer Meinung nach das Fußball-Business entwickeln? Man spricht gerne von einer Blase, die irgendwann platzen wird.

Ich weiß nicht, ob es eine Blase ist. Fußball emotionalisiert die ganze Welt. Der Sport begeistert und reißt mit. Fußball wurde in der jüngeren Vergangenheit extrem professionalisiert. Entscheidend wird sein, dass man – wie in jedem anderen Unternehmen – auch eine gute Philosophie verfolgt. Wem das gelingt, der wird Erfolg haben. Die Faszination Fußball wird jedenfalls nicht geringer werden, weil der Sport Freude bereitet. Davon bin ich überzeugt.

 

Steckbrief
Christoph Freund
Geburtstag 2. Juni 1977
Positionen bei FC RB Salzburg: Teammanager (2006–2012), Sportkoordinator (2012–2015), Sportdirektor (seit 2015)
Stationen als Spieler: SC Kundl (1997–1999), WSG Wattens (1999–2001), SC Untersiebenbrunn (2001–2002), FC Puch (2002–2003), FC Zell am See (2003–2005), SV Grödig (2005–2006), SC Leogang (2006–2013)
Erfolge als Sportdirektor: Meister (2016–2019), Pokalsieger (2016, 2017, 2019)