Vereinigung der Fußballer

Ich, Fußballer

Viele Fußballfans machen sich immer noch ein antiquiertes Bild vom Kicker. Einmal täglich Training, danach viel Freizeit und am Wochenende ein Match – wenig Aufwand für viel Geld, so der seit Jahrzehnten anhaltende Tenor in der Bevölkerung. Weit gefehlt. Denn es existieren etliche Faktoren, die dem Profi im Alltag einige Kopfschmerzen bereiten können, wie die Vertragsdauer oder die Vertragsverhältnisse, der tatsächliche Zeitaufwand, Depressionen aufgrund von Arbeitslosigkeit, der Druck, auf Social Media Präsenz zu zeigen, oder auch der Umstand, im Laufe der Karriere von einem Fan attackiert zu werden. Doch eines nach dem anderen.

VERTRAGSDAUER
Ein Fußballer ist wahrlich nicht pragmatisiert, vielmehr gilt in dem Business immer mehr die Hire-and-Fire-Methode. In den ersten zwei Ligen Österreichs haben 40 Prozent der Spieler im Durchschnitt lediglich einen Einjahresvertrag, in der zweiten Liga sind es gar 50 Prozent! In der obersten Spielklasse hat fast ein Drittel der Spieler einen Vertrag über drei Jahre. Immerhin. Der Kicker von heute kann also nicht davon ausgehen, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Klublegende wird, weil er seine ganze Karriere bei einem Verein verbringt wie einst noch ein Peter Schöttel bei Rapid. Heutzutage mutet das nahezu unmöglich an.

ZEITAUFWAND
Einmal am Tag trainieren, duschen, föhnen und heimgehen? Eine Traumvorstellung, die nicht der Realität entspricht, wie die Ergebnisse der Studie belegen. Generell muss vorab unterschieden werden zwischen Berufsfußballern, die zu 100 Prozent von ihrem Job leben, und jenen, die sich zwar Profi nennen, sich aber auch ein zweites Standbein zulegen können. 61 Prozent der Befragten gaben an, ausschließlich Berufsfußballer zu sein. Nur 15 Prozent davon haben einen wöchentlichen Zeitaufwand von 21 bis 30 Stunden. 39 Prozent pendeln zwischen 31 und 40 Stunden, 32 Prozent arbeiten mehr als 40 Stunden. Nicht mit eingerechnet sind diverse zusätzliche Termine zu Repräsentationszwecken, wie Fan-Treffs, Autogrammstunden und ähnliches. Der „Teilzeit-Kicker“ findet sich eher zwischen 21 und 30 Stunden (32 Prozent) und doch deutlich über 40 Stunden (33 Prozent) wieder.

ARBEITSLOSIGKEIT/ PSYCHOLOGISCHER FAKTOR
Da die Vertragsdauer mit bis zu drei Jahren überschaubar und limitiert ist – siehe oben –, steigt die Wahrscheinlichkeit einer temporären Arbeitslosigkeit logischerweise an. Fast ein Viertel aller Fußballer erfuhren während ihrer Karriere schon einmal den unangenehmen Zustand der Arbeitslosigkeit und der Ungewissheit. Der Druck auf die Spieler wird durch den Faktor Zeit zusätzlich erhöht, da das Transferfenster sowohl im Sommer wie im Winter Viele Fußballfans machen sich immer noch ein antiquiertes Bild vom Kicker. Einmal täglich Training, danach viel Freizeit und am Wochenende ein Match – wenig Aufwand für viel Geld, so der seit Jahrzehnten anhaltende Tenor in der Bevölkerung. Weit gefehlt. Denn es existieren etliche Faktoren, die dem Profi im Alltag einige Kopfschmerzen bereiten können, wie die Vertragsdauer oder die Vertragsverhältnisse, der tatsächliche Zeitaufwand, Depressionen aufgrund von Arbeitslosigkeit, der Druck, auf Social Media Präsenz zu zeigen, oder auch der Umstand, im Laufe der Karriere von einem Fan attackiert zu werden. Doch eines nach dem anderen. nur eine bestimmte Zeit geöffnet ist. Die Deadline, sprich das Übertrittsende, rückt näher, die Nervosität beim arbeitslosen Profi steigt. Das aktuellste Beispiel auf höchstem Niveau war Teamtorhüter Heinz Lindner, der nach dem Abstieg aus der ersten Schweizer Liga die Grasshoppers Zürich verließ und auf der Suche nach einem neuen Verein bis zum Ende der Transferzeit nicht fündig wurde. Erst lange nach der Deadline heuerte er bei Wehen Wiesbaden an, hatte aber in der Zwischenzeit seinen Nummer-1-Status im Nationalteam verloren. Ein gutes Beispiel, wie schnell eine Karriere eine Wende ins Negative erfahren kann.

Generell erzeugt der Zustand der Arbeitslosigkeit bei Fußballern einen psychischen Stress, der durchaus der Nährboden für Depressionen sein kann. Womit wir schon beim nächsten heiklen Thema sind, der psychologischen Unterstützung des Profifußballers. Wenngleich sich die Situation schon gebessert hat in den letzten Jahren und die Akzeptanz der Sportpsychologie gestiegen ist, wird dennoch nicht gerne über das Thema gesprochen. Dabei war schon in der Vorbereitung auf die Heim-EURO 2008 im Team von Chef Josef Hickersberger ein Psychologe mit an Bord. Auch Marcel Koller setzte mit Thomas Graf auf Unterstützung im mentalen Bereich.

Mehr als die Hälfte aller Befragten (64 Prozent) würde die Einführung einer speziellen psychologischen Beratungsstelle für Fußballprofis in Österreich befürworten. Dabei gilt es, über Probleme anonym und vertrauensvoll reden zu können, und umgekehrt für die Professionisten, Anzeichen einer Erkrankung rechtzeitig zu erkennen und zu therapieren. Ein bekanntes und leider trauriges Beispiel jährte sich Anfang November zum zehnten Mal – damals nahm sich der deutsche Teamtorhüter Robert Enke das Leben.

FAMILIENSTAND
Nicht unwesentlich ist in dieser Hinsicht und generell in diesem Beruf das soziale Auffangnetz jedes Spielers. Laut Studie befinden sich 48 Prozent der Fußballer in einer Partnerschaft, nur 15 Prozent sind verheiratet, eine Zahl, die auf die Jugend vieler Spieler zurückzuführen ist. Partnerschaftliche Bindungen geben, so Experten, Profis, die im Rampenlicht stehen und vermehrt Druck ausgesetzt sind, Bodenhaftung.

SOCIAL MEDIA
In Zeiten der Digitalisierung reicht es nicht aus, wenn sich der Profi die Schuhe bindet, auf den Platz geht und dort seine beste Leistung zeigt. Nein, darüber hinaus muss er vernetzt und greifbar sein, soll sich seinen Fans auch virtuell-digital präsentieren, kann aber mit diesem Werkzeug auch in der Werbeindustrie zusätzliche Einnahmen lukrieren. Der Spieler und der Mensch dahinter werden jedoch immer gläserner – und auch angreifbarer. 87 Prozent der Spieler nützen Facebook als Bühne, noch mehr, nämlich 91 Prozent inszenieren sich auf Instagram. Der Druck, bei diesem Spiel mitzumachen, ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Interessant ist, dass nur 7 Prozent den Kanal Twitter verwenden, vielleicht auch deshalb, weil dort vermehrt Meinung geäußert wird. Da scheint bei vielen Vorsicht geboten.

FAN-ATTACKEN Wer im Internet stark vertreten ist, hat sicher schon mehrfach die Erfahrung von entgegenschlagendem Hass gemacht. Auf diesen Kanälen wird ungefiltert und auch unter der Gürtellinie kritisiert. In einer Art und Weise, wie sie nur selten vorkommen würde, stünde der Spieler direkt dem Fan gegenüber. Aber auch dann kann es zu Drohungen kommen, wie 15 Prozent der Spieler in der Umfrage bestätigten. Das reicht von Beschimpfungen von Angesicht zu Angesicht bis hin zu nächtlichen Anrufen der Fans, um die Spieler zu einer besseren Leistung zu „ermuntern“. Es handelt sich um die Kehrseite einer Medaille, die von der Öffentlichkeit fast ausschließlich als glänzend wahrgenommen wird.