30 Jahre VdF Vereinigung der Fußballer

Der Robin Hood des Fußballs

Rudolf Novotny ist Gründungsvater der VdF und prägt die Gewerkschaft der Spieler bis heute. Zum 30-jährigen Jubiläum blickt er zurück auf spannende Zeiten zwischen Gustostückerln und Erotikkonzernen.

DAMALS WIE HEUTE

Man schrieb das Jahre 1988. Die Kanadier feierten ihre XV. Olympischen Winterspiele, Mike Tyson gewann im Schwergewicht gegen Larry Holmes und die Kronenzeitung schrieb, dass die Fußballer in Österreich eine Gewerkschaft brauchen. Da saß ich nun mit meinen schreienden Zwillingen auf dem Arm und las Zeitung. Und genau dieser Artikel gilt heute als Initialzündung für die Gründung der VdF, der Vereinigung der Fußballer in Österreich. Wollte ich wirklich die Rolle des Robin Hoods im Österreichischen Fußball einnehmen? Mich als ehemaliger Fußball-Profi für die Rechte der Spieler einsetzen? Ja, ich wollte. Am Anfang stand also die Idee. Eine Idee mit dem Ziel, Spieler in die wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Entscheidungsprozesse des Fußballs einzubinden. Diese sehr allgemein formulierte Zielsetzung hatte aber ganz klar ihre Berechtigung. Niemand kümmerte sich bisher so richtig um die Interessen und Rechte der Spieler. Und genau das galt es jetzt zu ändern. Eine echte Aufgabe, eine Herausforderung und eine Botschaft an den Sport, die Politik und die Gesellschaft. Also doch ein Robin Hood des Fußballs.

RENNEN STATT DENKEN

Vor 30 Jahren wurden Spieler nicht unbedingt als gleichberechtigte Mitarbeiter und Partner betrachtet, sondern als diejenigen, für die die finanziellen Mittel aufgebracht werden mussten. Die meisten Vereine hatten eine gemeinnützige Struktur und waren nicht als Wirtschaftsbetrieb ausgelegt. Endlich konnte ich Theorie und Praxis in Einklang bringen und die Inhalte meines Studiums samt Doktorarbeit in der Realität abbilden. Wenn man die 30 Jahre Revue passieren lässt, hat sich sehr viel zu Gunsten der Spieler, aber auch der Vereine geändert. „Rennen statt denken“, so lautete damals die Devise. Und Valuten, also Bargeld, war bei den Vereinen meistens kaum vorhanden. Die Einnahmen von Sponsoren und Zuschauern reichten auch nicht immer aus, um einen professionellen Spielbetrieb längerfristig abzusichern. Deswegen waren die Vereine wesentlich von einem Mäzen abhängig. Die damalige Situation erinnert auch ein wenig an so manch aktuellen Klub in den unteren Ligen, deren Geldgeber das Ziel haben, in Zukunft in der Champions- League mitzuspielen. Da das in den meisten Fällen nicht klappt, verlieren die Gönner sehr rasch die Lust an ihrem Hobby und drehen den Geldhahn wieder zu. Oder es geht ihnen auf dem Weg in die Königsklasse schlichtweg das Geld aus. Dieses Abhängigkeitsverhältnis war – und ist es in einigen Fällen noch heute – für die betroffenen Vereine ein Teufelskreis, der nicht selten in der sportlichen Bedeutungslosigkeit endete. Jedes Jahr ein Konkurs war für die VdF bittere Realität. Da kommt in 30 Jahren einiges zusammen.

NOT MACHT ERFINDERISCH

Der ständige Kampf um offene Gehälter war mühsam, hatte aber auch manchmal unterhaltsame Seiten. Um die chronische Geldknappheit in den Griff zu bekommen und den Verein vor dem Untergang doch noch zu retten, war den Funktionären fast jedes Mittel recht. Kuriose Sponsoren und noch abenteuerlichere Finanzgenies waren dann manchmal die letzte Hoffnung. Wenn sich ein Verein in die Hände von undurchsichtigen Finanzjongleuren begab, war es dann meistens weniger lustig, dafür umso krimineller. Ein besonderes Gustostückerl lieferte der damalige Bundesligaklub aus St. Pölten mit einem großzügigen Geldgeber, der dem Verein ein neues Stadion schenken wollte. Einzige Bedingung dafür war, dass der Verein dafür ein Grundstück zur Verfügung stellen musste. Die Geschichte war nur zu schön um wahr zu sein und hatte einen Haken: Man war einem Betrüger aufgesessen. Den umgekehrten Weg bestritt der damals schon vor dem finanziellen Abgrund stehende FC Tirol. Dort wollte man das Stadion verkaufen und vom Geldgeber wieder mieten. „Sale and lease back“, lautete die Zauberformel. Auch dieses Geschäft war mehr Illusion als erfolgsversprechend. Jedenfalls war anschließend die Anzahlung von einigen hunderttausend Euro für den Deal auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

SEX SELLS?!

Nicht jedes Sponsoring funktioniert im Fußball, was das folgende Beispiel zeigt. Beim damals noch erstklassigen Wiener Sportclub stand ein Sponsorenvertrag mit Beate Uhse kurz vor dem Abschluss. Die Vermarktungsideen des Erotikkonzerns konnten aber dann doch nicht in der Praxis umgesetzt werden, weil sich die Mannschaft quer legte. Auch wenn das schnelle Geld lockte, hatten die Spieler wenig Lust, auf Sexspielzeug abgebildet zu sein – oder umgekehrt, mit diesem Logo auf der Brust zu kicken. In die Diskussion wurde die VdF natürlich auch mit einbezogen. Dass Beate Uhse heute unter „be you“ firmiert, ist aber sicherlich nicht auf die damalige Absage zurückzuführen.

WETTEN, DASS …

Durchaus kreativ gingen aber auch manche Mannschaften damit um, wenn die Gehaltszahlungen schon monatelang ausständig waren. Um sich von den Sorgen etwas abzulenken, entwickelten die Spieler des SK Vorwärts Steyr ein eigenes Wettmodell. Dabei konnte darauf getippt werden, welche Ausrede der Verein verwenden wird, wenn eine behauptete Überweisung neuerlich nicht den Weg auf die Konten der Spieler fand. Geringe Quoten gab es dafür, wenn als Erklärung ein Fehler der Bank genannt wurde. Wesentlich höhere Gewinnchancen versprach der Tipp auf den Überfall des Geldboten. Angeblich ist das auch einmal passiert, nur konnte dieser Vorfall aus Gründen der Geheimhaltung von der Polizei nicht bestätigt werden. Es bleibt aber zu hoffen, dass dieses Wettmodell einmalig war.

THEORIE UND PRAXIS

Vor 30 Jahren steckte die Lizenzierung noch in den Kinderschuhen und auch im Vertragswesen gab es noch leichten Verbesserungsbedarf. Da war es manchmal schon erfreulich, wenn wenigstens die Namen der Beteiligten vermerkt waren, mit etwas Glück auch richtig geschrieben wurden und ein Unterschied zwischen Brutto und Netto gemacht wurde. Genug Stoff also für Auseinandersetzungen mit den Vereinen, bei denen man sich nicht sehr beliebt machte, wenn man sich für die berechtigten Anliegen der Spieler einsetzen wollte. Die jetzige Spielergeneration kennt diese Geschichten meistens nur noch vom Hörensagen. Nur mehr vereinzelt gibt es spektakuläre Fälle, bei denen es um rechtliche Grundsatzfragen geht. Beispielsweise ob ein Spieler am Training der Kampfmannschaft teilnehmen darf oder unter welchen Voraussetzungen eine Option gültig ist.

GUT AUFGESTELLT

Mit dem Abschluss des ersten Kollektivvertrages hat ein neues Zeitalter begonnen. Die damit verbundene Rechtssicherheit hilft aber nicht nur den Spielern, sondern ist auch ein großer Vorteil für die Vereine. Anders wäre es nicht möglich, die spezifischen Probleme des Fußballs zu regeln. Das bringt nicht nur eine Aufwertung des Fußballstandortes Österreich mit sich, sondern ist mehr als ein starkes Argument für eine funktionierende Partnerschaft. Das Privileg der Mitsprache haben sich die Spieler mit ihrem Zusammenhalt in der Vergangenheit geschaffen. Aber weder Stillstand und schon gar nicht Rückschritt ist im Fußball eine willkommene Kategorie. Es wird neue Entwicklungen und Herausforderungen geben, denen sich die Spieler stellen müssen. Den Luxus der Mitbestimmung hat die VdF im Sinne ihrer Mitglieder erarbeitet, und mit der Unterstützung aller Spieler ist es auch möglich, diese Aufgabe erfolgreich fortzusetzen. Am Anfang stand die Idee. Und diese Idee wird jetzt seit 30 Jahren gelebt. Mit den Vereinen, dem Verband, der Liga und vor allem den Spielern. Und ich? Heute sind meine Zwillinge erwachsen und habe ihre eigenen Ideen. Ich lese immer noch die Kronenzeitung und freue mich, wenn die Themen der VdF auch in den Medien präsent sind. Die Fußballer brauchen eine Gewerkschaft. Seit 30 Jahren ist sie für Euch da!