Karriere

Mit den Adlern zum Höhenflug

Während Spieler, Cheftrainer und Manager vorrangig im Mittelpunkt des Fußball-Business stehen, arbeiten viele andere eher im medialen Hintergrund. So auch ein Österreicher, der beim aktuellen Höhenflug des deutschen Bundesligisten Eintracht Frankfurt seine Finger im Spiel hat. Die Rede ist von Klaus Luisser, der als Athletiktrainer Spieler wie Kevin-Prince Boateng & Co. auf ein neues Level bringt.

Selbst in sportlicher Ausübung eher mit dem Tennisball als dem Fußball vertraut, war Klaus Luisser schon Zeit seines Lebens immer vom Fußball fasziniert. Die Nähe zum Fußballsport war auch deshalb gegeben, weil Luissers Vater selbst als Trainer aktiv war und Bruder Wolfgang als Spieler dem runden Leder unter anderem in der Erste Liga und der Regionalliga nachjagte, um später ebenfalls eine Trainerlaufbahn einzuschlagen, die er aktuell als Co-Trainer bei Bundesligist SCR Altach vorantreibt. „Das Thema Fußball hat mich nie losgelassen, vor allem der Bereich, wie man Sportler weiterentwickeln kann“, erinnert sich der 40-jährige Güssinger. Passend dazu studierte er Sportwissenschaften sowie Sportmanagement und bekleidete das Amt des Sportlichen Leiters im Sportzentrum Güssing, wo er sich um die Fitness von zahlreichen Sportlern kümmerte. „Fußball war immer meine Leidenschaft, auch wenn ich selbst nur in Güssing in der Reserve gekickt habe.“ So kam sie dann auch, die erste professionelle Fußballstation, die Luisser zum FC Kelag Kärnten bzw. den neu gegründeten und nicht lange existierenden BSV Juniors führte. Nach Auflösung des Kärntner Satellitenklubs folgte ein kurzes Comeback als Sportlicher Leiter im Sportzentrum Güssing, bevor er im Jahr 2006 dem Ruf seines ehemaligen FC Kärnten-Kollegen und Freundes Toni Beretzki – heutiger Athletik-Headcoach beim SK Rapid Wien sowie Abteilungsleiter im Heeressport – zu Red Bull Salzburg, wo er fortan als Nachwuchs-Athletiktrainer mit Heimo Pfeifenberger zusammenarbeitete.

Von den Bullen zu den Fohlen

Im „Stall“ der Bullen durchlief der Burgenländer quasi alle Bereiche als Konditions-, Fitness- bzw. Athletiktrainer: vom Nachwuchsbereich über die RB Juniors und Kooperationsverein FC Pasching bis hin zu Red Bull Salzburg arbeitete Luisser unter anderem mit Fachmännern wie Ralf Rangnick, Roger Schmidt und Thorsten Fink zusammen. Ebenfalls unter den Kollegen: ein gewisser Niko Kovac, dem er bei den RB Juniors zwischen 2009 und 2011 als Fitnesstrainer zur Seite stand. Kovac wurde im April 2011 zum Co-Trainer des FC Red Bull Salzburg unter Ricardo Moniz, während Luisser etwas später von den RB Juniors für eineinhalb Jahre zum FC Pasching wechselte. Im Juli 2013 agierte Luisser als Fitnesstrainer der Salzburger Bundesligamannschaft, Kovac wirkte da schon als Trainer der U21 des kroatischen Nationalteams und übernahm im Herbst des gleichen Jahres die Coaching-Agenden des A-Teams, um im März die Trainerposition bei Eintracht Frankfurt zu beziehen. Währenddessen überzeugte Fitness-Tüftler Luisser in Salzburg und kam über Deustchalnd-Besuche bei seinem Burgenland-Landsmann Martin Stranzl zu wichtigen Kontakten bei Borussia Mönchengladbach und machte sich bei den dortigen Spartentrainern und Sportdirektor Max Eberl vorstellig. Fortuna meinte es dann gut, denn die Stelle des Athletiktrainers wurde bald vakant. Im Juli 2015 setzte er sich im Bewerbungsprozess der Gladbacher durch und es folgte der Sprung zu den Fohlen in die deutsche Bundesliga. Ob er sich diese Laufbahn selbst so zu träumen gewagt hätte? „Nein, definitiv nicht. Um als Nicht-Profifußballer und vor allem als Österreicher dorthin zu kommen, braucht es natürlich neben harter Arbeit auch Glück!“

Ein „Rückschritt“ zum Fortschritt

War es in seiner Studienzeit noch sein großes Ziel gewesen, einmal im Sportumfeld von Red Bull Salzburg arbeiten zu können, waren nach einigen Jahren in Salzburg inklusive Europa League-Auftritten natürlich auch die Ziele gestiegen, die dann lauteten: Einmal in der deutschen Bundesliga zu arbeiten und darüber hinaus irgendwann auch Champions League-Luft einatmen zu können. Mit dem Wechsel zu Gladbach und den Spielen in der Champions League konnte er schon bald auch darunter zwei Häkchen setzen. Als Athletiktrainer erlebte er bei der Borussia mit Lucien Favre vor allem „einen großartigen Trainer und brutalen Fachmann“, der bereits nach drei gemeinsamen Monaten nach einer Negativserie zum Saisonstart durch André Schubert ersetzt werden sollte. Nach nur einem Jahr bei Borussia Mönchengladbach, in dem die Fohlen die Saison auf Rang 4 der Bundesliga beendeten, löste der Güssinger seinen Drei-Jahres-Vertrag vorzeitig auf, um ligaintern zu Eintracht Frankfurt zu wechseln. Auf dem Papier mochte der Wechsel verwundern, war doch Gladbach abermals international vertreten, während die Eintracht mit Rang 16 gerade noch den Klassenerhalt schaffte. Hauptverantwortlich dafür: Niko Kovac. So kommen die Beweggründe für Luissers Wechsel nicht mehr ganz überraschend. „Ich kenne Niko Kovac mittlerweile über zehn Jahre lang. In Gladbach war das Spieleniveau außergewöhnlich gut und die Jungs hatten einen gewaltigen Charakter, aber ich hatte das Gefühl, nicht wirklich voranzukommen, es herrschte ein gewisser Stillstand in meinem Bereich vor.“ So gab es damals noch keine regelmäßigen Laktat- und CK-Messungen sowie kein GPS-Tracking der Spieler – ein Umstand, der Perfektionist Luisser zum Nachdenken bewegte, schließlich waren dies Standards, die sogar der ein oder andere Regionalligist in Deutschland schon vorweisen konnte. „Außerdem wollte ich meinen Weg mit einem Trainer gehen, den man schon kennt, dem man blind vertraut, mit dem der Alltag dadurch leichter und stressfreier zu bewältigen ist und man sich mehr auf die wesentliche Arbeit konzentrieren kann. Die Perspektiven, die mir von Eintracht-Manager Fredi Bobic gegeben wurden, waren für mich schlussendlich eine spannende neue Herausforderung. Ich habe das Commitement bekommen, hier etwas Neues aufbauen zu können!“ Bereut hat er diesen Schritt keineswegs. In Frankfurt angekommen lotste er mit Martin Spohrer einen Bekannten von Borussia Dortmund sowie mit Markus Murrer einen Landsmann in die deutsche Finanzmetropole, um den Athletikbereich der Adler auf Vordermann zu bringen.

Makro- & Mikrokosmos der Fitness

Luisser verbringt die meiste Zeit seiner Arbeit bei der Mannschaft, wärmt mit dem Team auf, ist für die Steuerung des gesamten Trainings verantwortlich und kümmert sich um die Messung und Analyse von „Big Data“. So führt er unter anderem Laktat-, CK- und Herzfrequenzmessungen durch, begutachtet die Laufleistungen der Spieler via GPS akribisch und ist auch an den Spieltagen mit an Bord. Dass hier ein passionierter Vollprofi am Werk ist, wird in einem Gespräch mit dem österreichischen Trainerlegionär schnell offensichtlich. Das kommt nicht von ungefähr, denn „ich konnte mein Hobby zum Beruf machen und insofern lebe ich auch dementsprechend dafür“, sprüht Luisser vor Hingabe zu seiner Berufung. Wie stark er sich als Athletiktrainer mit seinem Team einbringen kann, hängt laut eigenen Aussagen auch stark vom Cheftrainer ab. „Ich hatte Trainer, die wenig bis gar nichts zugelassen haben. Da gab es beispielsweise kaum Übungen für die Beinkraft im Athletiktraining, sondern hauptsächlich Übungen für den Oberkörper.“ Wieviel Training es schlussendlich wirklich braucht, sei von Spieler zu Spieler unterschiedlich, weshalb Luisser viel am individuellen Training mit den Profifußballern liegt. „Wir arbeiten viel im Grundlagenbereich. Denn umso breiter die Basis in der Bein- und Rumpfstabilität und die Leistungsfähigkeit in den Bereichen Sprint und Ausdauer ist, desto belastbarer bist du. Den Rest muss jeder individuell machen.“ Feststehe für den Athletiktrainer allerdings, dass die Belastungen immer höher werden, weshalb das vorrangige Ziel nur sein kann, Verletzungen und Defizite zu minimieren und die Regeneration durch eine noch bessere Grundlagenausdauer zu beschleunigen. Erfolg definiert Luisser im Gegensatz zum klassischen Trainer für seinen Arbeitsbereich nicht über drei eingefahrene Punkte. „Erfolg ist primär für mich, wenn ich so wenig wie möglich Verletzte im Team habe. Darüber hinaus ist es schön zu sehen, wenn meine Spieler gute Laufleistungen und gute Sprintwerte abliefern. Das sind zwei wichtige Parameter mithilfe derer man Feinheiten erkennt und sich zeigt, wo man einzelnen Spielern noch ein paar Prozent herauskitzeln kann.“ Und das macht Luisser dann auch mit jenen Akteuren, die diesbezüglich auf ihn zukommen. „Ich habe mich zum Glück noch nie bestätigen oder etablieren müssen. Die Spieler vertrauen mir relativ schnell – egal ob großer Name oder nicht – weil ich meinen Spielern immer den Grund und Sinn der Übung bzw. des Trainings versuche so einfach wie möglich zu erklären, damit sie dies dann auch leichter im Training umsetzen können und auch verstehen.“

Mit Regeneration zu neuen Höhen

Wo aber sind die Limits, die Belastungsgrenzen eines Sports, der immer schneller wird? Der Athletiktrainer der Adler sieht im Fußball noch „sehr viel Luft nach oben, weil in manchen Bereichen viel an Basisarbeit fehlt.“ Damit impliziert er aber keineswegs, dass dies nur auf schlechte oder falsche Arbeit zurückzuführen sei, sondern „weil man als Athletiktrainer oft nicht die Zeit oder die Möglichkeiten dazu bekommt.“ Man könne teilweise nicht noch mehr trainieren, weshalb für Luisser die Regeneration, also die Zeit zwischen den Belastungsphasen, ein ganz spannender Bereich ist. „Ein Cristiano Ronaldo kann gar nicht mehr trainieren, insofern gilt es für ihn, schlauer und besser zu regenerieren.“ Im Zuge dessen spricht Luisser die Bereiche Kältebecken, Schlaf und Ernährung an. Spieziell im Bereich der Ernährung sei man insgesamt noch sehr weit weg von Professionalität, nicht jeder Verein will sich dahingehend einen Experten leisten. „Wir haben bei Frankfurt einen Verantwortlichen dafür, der für mich so wichtig wie ein anderer Spartentrainer ist. Die erste Regenerationsphase nach einer Belastung wird schließlich mit der sofortigen Zunahme von wichtigen Nährstoffen eingeleitet.“ Die Fortbildung in seinem Wirkungsbereich sei nicht so einfach, weswegen er in erster Linie sehr viel Wert auf Wissensaustausch mit Kollegen und ehemaligen Spielern über die Gegebenheiten bei ihren Vereinen legt. Da verwundert es wenig, dass er sich regelmäßig mit Kollegen von Schalke 04, Borussia Dortmund, RB Leipzig, AC Milan und Atletico Madrid unterhält. Zudem pflegt er seine Kontakte zu ehemaligen Spielern wie Jesus Vallejo (früher Frankfurt, heute Real Madrid) und den Ex-Gladbachern Andreas Christensen (aktuell beim FC Chelsea) und Granit Xhaka (FC Arsenal), dem er sogar einen Ergometer aus Österreich organisierte – um nur einige wenige zu nennen. Zuletzt weilte Luisser zwei Tage bei Real Madrid, wo er sich mit dem Athletiktrainer des weißen Balletts unterredete. Solche Möglichkeiten seien „nicht selbstverständlich, weil im täglichen Betrieb kaum Zeit für solche Treffen ist“, ist er dankbar über die Einblicke in das Trainings- und Regenerationsprogramm von Cristiano Ronaldo und Co. Auf die Frage nach seinen Zielen, antwortet Luisser schnell: „Einmal bei einem der zwei, drei Topklubs in Deutschland, Spanien oder England zu landen, wäre ein großer Traum von mir.

Anziehungskraft des Südens

Die Familie, die Freunde, das sonnige Gefüge im südlichen Burgenland – dafür bleibt wenig Zeit. „Das schöne, gute Leben in Österreich vermisse ich natürlich schon ab und an. Mit meinem Beruf wäre es in Güssing aber schwierig. Außerdem habe ich noch ein paar Visionen und möchte die Zeit nutzen, die ich auf diesem Level arbeiten kann. Daher kann ich mir im Moment eine Rückkehr insofern weniger vorstellen, aber im Fußsball weiß man ja nie“, schmunzelt der gebürtige Burgenländer. Irgendwann will Klaus Luisser aber in seine zweite Wahlheimat Salzburg zurückkehren. Zumindest die Freizeit, die Luisser abseits seines Berufs bleibt, verbringt er gerne in der rot-weiß-roten Heimat. Bei all der Arbeit vergisst er nicht selten auf sich selbst, aber der alljährliche Skiurlaub mit Freunden abwechselnd in Obertauern und Saalbach-Hinterglemm ist ihm heilig. Neben seiner Zeit am frischen Grün hält er sich selbst beim Radfahren und Laufen fit, schließlich „schaffst du es sonst nicht, den Arbeitsalltag zu bewältigen, wenn du selber nichts bzw. zu wenig machst.“ Ganz ohne Bezug zur Arbeit geht es aber selbst in der Freizeit nicht. Der in ihm förmlich pochende Tatendrang findet häufig schriftlichen Niederschlag. Der Güssinger liebt es an Konzepten zu basteln, mit denen man den Athletikbereich optimieren könnte: „Irgendwann einmal eine komplette Athletikabteilung eines Vereines aufzubauen, zu strukturieren und diese dann auch zu leiten, würde mich wahnsinnig interessieren.“ Mit dem kürzlich bekannt gewordenen Transfer von Niko Kovac, der ab nächster Saison das Trainerzepter des großen FC Bayern München, dem Stern des Südens, schwingen wird, könnte für Luisser ein weiterer Traum Realität werden – und der Heimat würde er auch geografisch wieder näherkommen…