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Echte Leidenschaft

Seit 1972 gibt es ihn, zehn Jahre später wurde er offiziell anerkannt und dennoch von vielen bis heute nicht akzeptiert. Die Rede ist vom österreichischen Frauenfußball.

Frauen und Fußball? Eine Konstellation, die für viele – vor allem Mitglieder des männlichen Geschlechts – weit über die Vorstellungsgrenzen hinausragt. In den Köpfen der Gesellschaft steht Europas Ballsportart Nummer Eins für harte Jungs, die 90 Minuten lang schwitzend um den Ball kämpfen. Ein Klischee, welches sich mit dem Wandel der Zeit bald in Luft auflösen könnte. Warum? Der Frauenfußball boomt! Dies belegen auch diverse Aufzeichnungen des Österreichischen Fußballbundes: In der Saison 2008/09 waren es lediglich 7000 aktive Damen, die österreichweit dem runden Leder hinterherjagten. Bis August 2016 hat sich die Zahl fast auf 21000 verdreifacht.

 

Bedenkt man, dass die Anzahl der aktiven Männer in Richtung 300 000 geht, stellt der Frauenfußball in diesem Vergleich immer noch einer Randgruppe dar. Dieses Problem wurde mittlerweile aber an den Wurzeln gepackt und zum Teil auch gelöst. Denn das alleinige Dasein von mittlerweile 272 Damen-Kampfmannschaften (Stand August 2016) erleichtert jungen Mädchen, die vor Jahren nur den Weg über Burschen-Mannschaften wählen konnten, den Einstieg deutlich. Eine Fußballerin, der dieser direkte Weg über eine gleichgeschlechtliche Mannschaft verwehrt wurde, ist die 25-jährige Barbara Pschill, Kapitänin des Wiener Sportklubs. „Mein Bruder hat mit fünf Jahren zu spielen begonnen, mit sieben Jahren wurde dann mein Interesses geweckt“, erklärt sie und betont gleichzeitig ihre damaligen Sorgen. „Ich hatte Angst zu versagen oder mich zu blamieren. Außerdem hatte ich keine Freundinnen, die dieses Interesse mit mir teilten.“ So blieb es für Sie beim Freundschafts-Kick im Hof, bis im Jahre 2003 im 1400-Einwohner-Örtchen Göttlesbrunn eine reine Damenmannschaft entstand, die später in einer Hobbyliga ihr Glück versuchte. Seit 2015 kickt Pschill nun für den Wiener Sportklub, mit dem sie 2017 den Aufstieg in die 2. Bundesliga knapp verfehlte. Eine Spielklasse, die laut Pschill ohnehin nur „wenig attraktiv“ sei. „Aufgrund der vielen B-Teams sind nur wenige Mannschaften aufstiegsberechtigt. Zudem entwickelt sich die Bundesliga zu einer geschlossenen Gesellschaft, da den kleineren Vereinen talentierte Spielerinnen abgeworben werden und diese im schlechteren Falle die B-Teams auffüllen.“

 

Hinzu kommen noch die Fahrtstrecken nach Kärnten, Graz oder Südburgenland, die der Aufstieg mit sich gebracht hätte. „Es ist nur eine Sache von Einteilung“,  meint Pschill, die hauptberuflich als Volksschullehrerin arbeitet und mit dem Fußball kein Geld verdient. „Im Gegenteil“, erklärt sie. „Es ist üblich, Mitgliedsbeiträge zu bezahlen, um spielen zu dürfen.“ Eine Tatsache, die die Kluft zwischen dem Herren- und Frauenfußball noch einmal mehr verdeutlicht. „Dass in letztklassigen Vereinen bei Männern mehr Geld fließt, als bei so manchen Bundesligisten der Frauen, ist bedenkenswert“, beklagt die defensive Mittelfeldspielerin, die vier mal pro Woche mit ihren Kolleginnen auf dem Trainingsplatz steht.

 

Nicht nur im Wiener, sondern auch im Oberösterreichischen Damenfußball, der mit vier reinen Frauenligen bereits zu den fortgeschrittenen Verbänden zählt, herrschen ähnliche Verhältnisse. „Der ganze Spielbetrieb ist eher Investition als Verdienst“, erklärt die 29-jährige Eva Kern, Kapitänin des USV St. Oswald/Freistadt. Bis zu ihrem 20. Lebensjahr widmete sie sich noch dem Faustball, schaffte es sogar in die 1. österreichische Bundesliga. Parallel dazu entdeckte sie ihre Liebe zum Fußball, begann mit Freundinnen zu kicken und war bei der Gründung der St. Oswalder Damenmannschaft live dabei. Fünf Jahre lang besuchte man nur Turniere oder lud zu Freundschaftsspielen, „bis der Kader endlich groß genug war, um in die Meisterschaft einzusteigen“, erklärt Kern, die im Alter von 23 Jahren ihr erstes Meisterschaftsspiel absolvierte. Mittlerweile etablierten sich die USV-Damen in der Landesliga, beendeten ihre Premierensaison auf dem dritten Rang. Für eine Ortschaft a la St. Oswald eine tolle Leistung. „Was Frauenfußball betrifft, haben wir uns im Bezirk Freistadt zu einer richtigen Metropole entwickelt“, erklärt die Stürmerin.“Unser Team besteht aus Spielerinnen der umliegenden Gemeinden, unser Stammkader sind 18 Mädels.“ Stolzerweise bringt Sie auch die 1b-Mannschaft des USV, die momentan in der Hobbyliga spielt, ins Gespräch. „Das ist für viele Mädels natürlich ganz toll, da somit der Sprung in die Kampfmannschaft leichter ist und man viel Spielpraxis sammeln kann.“ Eine Eingliederung in den Meisterschaftsbetrieb zählt neben dem Aufstieg in die OÖ Frauenliga zu den weiteren Zielen, denen man step by step hinterherjagt.

 

DIE 12. FRAU HINKT HINTERHER

Der niedrige Stellenwert des Frauenfußballs und das mangelnde Interesse gehen hierzulande Hand in Hand. Woran es liegt? „Schwer zu sagen“, rätselt die Sportklub-Kapitänin. „Es könnte daran liegen, dass der Frauenfußball viel zu wenig beworben und in den Medien erwähnt wird.“ Ein Punkt, den die St. Oswalderinnen selbst in die Hand nehmen. „Wir haben einen sehr gut laufenden Medienauftritt, egal ob auf Facebook oder in Zeitungen“, erklärt Kern stellvertretend für ihre Mannschaft, die sogar einen eigenen Fanklub hat. Ein Aufwand, der in Sachen Zuschauerzahlen seine Früchte trägt. „Wir können uns jedenfalls nicht beklagen“, spielt sie auf durchschnittlich 50 bis 150 Fans an. Eintritt gibt es bei den Spielen der Damen nicht, die freiwilligen Spenden seien aber „ganz angemessen“. Parallel zum steigenden Interesse hofft sie auch auf einen Anstieg der Besucherzahlen. „Die Begeisterung und positive Einstellung der Leute merken wir von Jahr zu Jahr. Wäre schön, wenn das so weitergeht.“

 

VORURTEILE

Frauen und Fußball – eine Beziehung geprägt von Vorurteilen, mit denen man „immer zu kämpfen haben wird“, meint Barbara Pschill und beklagt dabei die Rollenstereotype, in der der Mann seit eh und je als stark und risikofreudig, die Frau als schwach und schutzbedürftig gilt. „Frauen sind Frauen und haben andere physische Veranlagungen als Männer. Für mich daher unerklärlich, den Männerfußball mit dem der Frauen zu vergleichen.“ Auch die starke Identifikationsbasis, die Männer mit diesem Sport aufgebaut haben, spielt dabei eine Rolle. „Ich finde das witzig. Beim Skifahren, Handball oder Tennis werden ja auch keine derartigen Vergleiche gemacht“, beklagt sie. Davon können auch die St. Oswalder Damen ein Lied singen – bereits bei deren Idee, eine Mannschaft zu gründen, wurden kritische Stimmen laut. „Man hat von vielen Seiten oft nur Negatives gehört“, schildert Eva Kern, leitet aber zu einem ‚Happy End‘ weiter. „Mit der Zeit kam aber der Erfolg und somit auch Verständnis und positives Feedback.“

 

SO TICKEN FRAUEN IM FUSSBALL

„Wir Frauen spielen anders als Männer und das ist auch gut so“, stellt Pschill in Bezug auf die körperlichen Gegebenheiten klar. Doch wie verhalten sich Frauen auf dem Platz? Oder in der berühmt berüchtigten dritten Halbzeit? „Auch bei uns kochen die Emotionen oft hoch“, erklärt sie. „Es kommt genauso zu Beschimpfungen oder unsportlichen Aktionen“ – dem stimmt man auch in Oberösterreich zu. „Wer glaubt, bei Frauen geht es ‚weicher‘ zu, täuscht sich“, meint Eva Kern. „Blaue Flecken, abfallende Fußnägel, Kratzer und Fußabdrücke kommen oft genug vor.“ Auch in der dritten Halbzeit sei man den Männern ebenbürtig. „Viele von uns sind sehr trinkfest, wir feiern wirklich gerne. Aber das Alkoholverbot vor einem Spiel wird sehr ernst genommen.“

 

Auch in der Hauptstadt lässt man sich in Sachen Partys nicht zwei mal bitten. „Natürlich wird auch bei uns ausgelassen gefeiert. Siege und Erfolge sind ja da, um gefeiert zu werden“, erklärt Barbara Pschill. Solche gemeinsamen Erfolgsmomente machen den Fußball schließlich zu dem, was er ist. „Es ist nicht nur eine Sportart, sondern eine Leidenschaft“, meint die Sportklub Kapitänin. „Man ist Bestandteil einer Gruppe und jeder davon ist wichtig.“ Dies sieht auch Eva Kern so – für sie dient der Fußball als Ausgleich und Lernfaktor. „Man kann sich abreagieren und auspowern. Außerdem fordert es einen körperlich und geistig, man lernt nie aus.“ Ein Mitgrund, weswegen sie sich für den Fußball und gegen ‚typisch weibliche‘ Sportarten wie Volleyball oder Tennis entschieden haben. „Es ist ein vielseitiger Sport, in dem das Spielverständnis eine große Rolle spielt. Außerdem muss man mit vielen verschiedenen Charakteren zusammenarbeiten und auskommen, so lernt man auch etwas für´s Leben“, ist Kern der Meinung. „Die Erfolge und Niederlagen, die man mit einem Team teilt, sind Erlebnisse die man nie vergisst.“

 

Für die Zukunft und eine positive Weiterentwicklung des Damenfußballs wünschen sich die beiden mehr Anerkennung und Unterstützung, nehmen dabei auch die Verbände in die Pflicht. „Für mich wäre es wichtig, dass Leute aufhören Fußball zwischen Frauen und Männer zu vergleichen“, wünscht sich Pschill. „Und ein zweiter wichtiger Punkt wäre die Aufteilung der Ligen. Dementsprechend auch die Sinnhaftigkeit, Meister nicht aufsteigen zu lassen und sie in Relegationsspiele zu schicken.“ Dem schließt sich auch Eva Kern an – sie wünscht sich mehr Anerkennung von oben, sprich von den Verbänden und auch Vereinen. „Leider ist es ja im Sport so, dass Anerkennung nur mit Leistung und Erfolg kommt. Die Arbeit alleine ist selten genug“, beklagt sie. „Wir Frauen arbeiten genauso hart – wenn nicht sogar härter – als die Jungs und haben auf jeden Fall die Chance verdient, anerkannt und respektiert zu werden.“