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Wettbetrug in Wien?

Was sich am 2. März 2017 beim Testspiel zwischen dem 1. FC Bisamberg (Niederösterreichische 1. Klasse Nordwest) und dem FCJ Alt-Ottakring (Wiener Oberliga B) ereignete, ist mehr als kurios und sorgte für ordentlich Gesprächsstoff.

Bisamberg reiste aufgrund zweier Testspiele in der laufenden Woche stark personalgeschwächt nach Wien – dies erfuhren die Ottakringer laut ORF-Informationen erst kurz vor Spielbeginn. Daher kam ein Mix der Bisamberger Jugend- und Reservespieler zum Einsatz, die letztendlich eine 14:0-Klatsche hinnehmen mussten. So extravagant das Ergebnis auch sein mag, die kuriosesten Szenen spielten sich abseits des Platzes ab.

MYSTERIÖSER ZUSCHAUER

Ein Testspiel zwischen zweier Teams aus dem Unterhaus ist bekannterweise kein Zuschauermagnet. Der Weg eines einzigen Mannes führte aber zum Kinkplatz – und den kannte niemand. Da dieser mysteriöse Beobachter laufend mit seinem Handy tippte, sprach ihn Ottakring-Obmann Rene Alscher an. „Ich hab‘ ihn gefragt, was er da macht, ob er mit jemandem befreundet oder verwandt ist. Er hat mir gesagt, dass er das Spiel mittickert“, so Alscher gegenüber dem ORF. Wie sich später herausstellte, arbeitete der Mann für einen Wettanbieter, der dieses eigentlich völlig belanglose Spiel auf insgesamt acht ausländischen Wettportalen, darunter BET.co.za aus Südafrika, anbot. Zudem erschien auf mindestens einem dieser Anbieter ein falsches Ergebnis – wie zum Beispiel auf der montenegrinischen Website ‚Cloudbet‘, die einen finalen 10:0-Endstand angab. Kontakt mit Cloudbet gab es bereits, von wem die Ergebnisse stammen wird bislang verschwiegen. „Diese Informationen geben wir nicht weiter. Bei solchen Spielen kann es aber in seltenen Fällen zu einer Diskrepanz beim Endergebnis kommen“, schilderte das Wettportal dem ORF. Besonders auffällig sei, dass „einige Leute“ auf die Partie getippt hätten.

Markus Knasmüller, Sachverständiger und Experte in Sachen Wettbetrug, nahm den Anbieter Cloudbet unter die Lupe. Gegenüber dem ORF bestätigt er, dass es tatsächlich die Möglichkeit gab, live auf diese Partie zu tippen. „Das ist sehr ungewöhnlich. Noch dazu trifft dieser Anbieter die Auswahl der Freundschaftsspiele tatsächlich so, dass hier ein Schwerpunkt auf Spielen zwischen österreichischen Vereinen der sechsten und siebenten Liga vorhanden ist.“ Auch das Bundeskriminalamt meldete sich zu den Vorfällen, sieht die Sache aber anders: „Das ist nicht ungewöhnlich. Warum das gemacht wird und sogar – wie in diesem Fall – ein Scout vor Ort ist, kann man nicht sagen. Möglicherweise werden solche Partien genutzt, um Lücken im Wettmarkt zu füllen und diesen somit 24 Stunden abzudecken. Im Vorjahr hatten wir auch im 13. Wiener Bezirk einen ähnlichen Vorfall mit einem Trainingsspiel.“

ANRUF AUS DER SCHWEIZ

Die Ereignisse des 2. März sorgten schon für Aufregung. Was jedoch danach passierte, wurde zur Angelegenheit des Bundeskriminalamtes. Rene Alscher erhielt wenige Tage darauf einen Anruf aus der Schweiz. „Zwei, drei Tage später läutet plötzlich mein Mobiltelefon. Es ist eine Schweizer Nummer und jemand stellt sich als Sandro vor. Er wollte wissen, wie das Spiel ausgegangen ist. Ich habe ihn gefragt, warum ihn das interessiert. Wir haben eigentlich keine Fans in der Schweiz“, erklärt Alscher. „Er wollte unbedingt eine Bestätigungs-Mail, dass das Spiel tatsächlich so ausgegangen ist.“ Daraufhin bekam „Sandro“ den Link, der zum Endergebnis auf die Website des FCJ Alt-Ottakring verwies. Zufrieden war der unbekannte Schweizer damit nicht – er bestand weiterhin auf eine persönliche Bestätigung von Alscher. Dies brachte das Fass zum Überlaufen – Rene Alscher meldete die Vorfälle dem Bundeskriminalamt. „Ich habe niemanden angezeigt, aber es war einfach unangenehm, von einem Fremden mit solch einem Nachdruck angerufen zu werden“, erklärt Alscher vier Wochen nach den Vorfällen. Zu diesem Zeitpunkt war die Sache für den Ottakring-Funktionär auch schon vom Tisch, Kontakt gab es keinen mehr. „Nachdem das publik geworden ist und der ORF den Herren angerufen hat, ist die Kontaktaufnahme abgerissen. Es war ihm dann klar, wie das Spiel ausgegangen ist.“

FOLGENSCHWERE ANGELEGENHEIT

In Bisamberg konnte man sich die Vorkommnisse überhaupt nicht erklären. „Ich traue unseren Spielern wirklich nicht zu, dass sie ein Testspiel manipulieren oder sich bestechen lassen“, so Sektionsleiter Franz Holzer gegenüber dem ORF.  Als vier Wochen später etwas Gras über die Story wuchs, wurde das Ausmaß dieses vermeintlichen Wettbetrugs erst so richtig ersichtlich – die Konsequenzen für einen Unterhaus-Verein wie Bisamberg enorm. „Der Rufschaden des Vereins in der Öffentlichkeit ist wirklich brutal. Die Burschen müssen sich in sozialen Netz-

werken Dinge gefallen lassen, die nicht mehr lustig sondern höchst unangenehm sind“, so Sektionsleiter Holzer, der vor allem den Medien, insbesondere dem Österreichischen Rundfunk, die Schuld in die Schuhe schiebt. „Dass einer in Südafrika sitzt und auf unser Spiel tippt ist natürlich Wahnsinn. Dann als ORF aber herzugehen und zur Primetime um 19:00 was im Fernsehen zu bringen, ist Rufschädigung. Dass wir so durch den Kakao gezogen werden, hat sich weder ein Funktionär, noch ein Spieler des Vereins verdient.“

 

SCHADEN

Nachdem Bisamberg in aller Munde war und regionale Zeitungen den Verein prompt mit der Wettmafia in Verbindung brachten, besorgte man sich Hilfe in Form eines Rechtsanwalts. „Wir waren anfangs wirklich überfordert. Wir mussten uns gegenüber der Gemeinde und Sponsoren rechtfertigen, die dann zum Teil ihr Engagement im Verein zurückzogen“, erklärt Holzer. Bedenkt man, dass zu diesem Zeitpunkt weder ein Verfahren eingeleitet, noch Kontakt seitens des BKA zum Verein aufgenommen wurde, ist der Unmut bei den Niederösterreichern durchaus verständlich. „Alle Medien berichteten, dass ermittelt wird. Von uns wurde aber niemand kontaktiert, weder ich, noch bei einem anderen Funktionär wurde nachgefragt. Dass dann, aufgrund reiner Vermutungen, unser ganzer Verein derart geschädigt wird, ist unglaublich. Es ist die bitterste Erfahrung für alle Vereinsmitglieder, das kann ich sagen.“

 

Sich rechtlich gegen oben genannte Institutionen zu wehren, kommt für den 1. FCB aber nicht in Frage. „Wir könnten natürlich klagen, weil wir Sponsoren etc. verloren haben, aber Bisamberg ist nicht Rapid. Wir haben keine Festangestellten, die sich um solche Vorfälle kümmern. Wir sind ein Hobbyverein mit Freiwilligen – da hat keiner Lust sich solch einem Prozess zu widmen.“

 

VERFAHREN STILLGELEGT

Nachdem sich Bisamberg per Mail an das Bundeskriminalamt wandte und um Hilfe bat, kam das Verfahren erst so richtig ins Rollen. „Von unserer Seite aus wurden – wie in jedem Fall – polizeiliche Ermittlungen eingeleitet, die aber aufgrund der Faktenlage wieder eingestellt wurden, da absolut kein Verdacht auf Wettbetrug besteht. Wir übermitteln den Bericht nun der Staatsanwaltschaft – was die dann machen, können wir nicht sagen. Aufgrund der Faktenlage ist es aber sehr wahrscheinlich, dass der Fall stillgelegt wird“, schildert ein Verantwortlicher des BKA (Name der Redaktion bekannt). Ein Ausgang, der dem 1. FC Bisamberg letztendlich nicht weiterhilft. Sponsorengelder sind dahin, der Schaden des Vereins enorm.

 

„ES GIBT IMMER SCHWARZE SCHAFE“

Sharif Shoukry ist Geschäftsführer des österreichischen Buchmacherverbandes.

Unter welchem Vorwand schickt ein weitentfernter Wettanbieter einen ‚Mitarbeiter‘ nach Wien, um ein eigentlich bedeutungsloses Testspiel live anbieten zu können?

Ich kann diesen Fall nur aus österreichischer Sicht betrachten und erleichtert sagen, dass  kein nationaler Buchmacher an dem Vorfall beteiligt war. Wir vom Buchmacherverband sind stolzes Mitglied und Partner des Play Fair Code und haben – gemeinsam mit dem Sportministerium – beschlossen, solche Wetten auf Unterhaus-Spiele in Österreich gänzlich zu verbieten. Mit dementsprechend großem Erstaunen haben wir diesen Vorfall zur Kenntnis genommen. Da es aber wie eingangs erwähnt keine österreichische Plattform betrifft, haben wir auch keine Hintergrundinfos und keinen Einfluss darauf.  In diesem Fall stecken ausländische Plattformen und Menschen dahinter, die offenbar illegal agiert haben. Ich kann nur wiederholen, dass wir vom Buchmacherverband und Play Fair Code uns von solchen Wetten in unterklassigen Ligen strikt distanzieren.

 

Zwei Tage nach den Vorfällen wurde von einer Schweizer Nummer eine persönliche Bestätigung des Ergebnisses gefordert. Es ist eine traurige Tatsache zu sehen, dass es immer noch einige schwarze Schafe in dieser Branche gibt. Im aktuellen Fall ist es ja ganz seltsam, da diese Art von Sportwetten in der Schweiz verboten sind und der Anrufer ja anscheinend von dort stammt. Es scheint tatsächlich eine illegale Geschichte zu sein.

 

Seitens des BKA wird vermutet, dass solche Spiele als Lückenfüller verwendet werden. Ist das eine plausible Erklärung? Der Erklärung kann ich durchaus folgen, eine Entschuldigung ist das aber nicht. Wenn man recherchiert sieht man, dass man im Ausland rund um die Uhr auf die kuriosesten Sachen wetten kann. Leidtragender ist in diesem Fall nun Bisamberg, die so anscheinend unverschuldet unter einen Manipulationsverdacht geraten sind.

 

Wie kann man solche Vorfälle künftig verhindern? Der Kampf gegen die Illegalität findet ja nicht nur im Bereich der Sportwetten statt. Ich bin mir sicher, dass das BKA an solchen Vorfällen ordnungsgemäß arbeitet und auch an uns herantreten wird, wenn es um Hilfe in Sachen Prävention geht. Generell ist es aber schwierig, gegen illegale und unseriöse Anbieter aus dem Ausland vorzugehen. Dass es verboten ist, weiß man ja, aber solche Vorfälle zu verfolgen und zu bestrafen ist durch ein meist kriminelles Netzwerk enorm schwierig.